Darf PayPal mein Geld einfrieren und was kann ich dagegen tun?

PayPal ist ein e-Commerce Zahlungsanbieter der ursprünglich aus eBay hervorgegangen ist und sich nach wie vor grosser Beliebtheit erfreut. Durch seinen Käuferschutz erfährt PayPal insbesondere bei Gebrauchtwarenkäufern oder im Handel mit weniger bekannten Verkäufern im Internet grossen Zuspruch, denn immerhin zahlt der Zahlungsdienstleister einem den Kaufpreis zurück, sollte die Ware bspw. nicht der Beschreibung entsprechen oder gar nie ankommen. Auf Seiten der Verkäufer sorgt PayPal jedoch regelmässig für Unmut:

Zum einen muss immer der Zahlungsempfänger die entsprechende PayPal-Gebühr entrichten, da diese automatisch vom erhaltenen Geldbetrag abgezogen wird. Eine Option, diese Gebühr wahlweise vom Verkäufer auf den Käufer umzustellen gibt es bis heute nicht, obwohl gerade im privaten Online-Handel eine solche Option mehr als wünschenswert wäre. Es spricht jedenfalls nichts dagegen, dass derjenige der vom Käuferschutz profitiert, diesen auch bezahlen soll. Bei Gebühren um die 2% vom Gesamtbetrag bliebe das Kosten-Nutzen-Verhältnis im angemessenen Rahmen und überschaubar. Auch sahen sich Verkäufer vor allem in den jüngeren Jahren von PayPal immer wieder mit ungerechtfertigten Käuferschutz-Anträgen konfrontiert, die den Entzug von Guthaben oder die Kontosperre zur Folge hatten. Dies wurde durch die anfänglich sehr aggressive und vor allem aus marketinggründen extrem käuferfreundliche  Firmenpolitik PayPals befeuert, indem Käuferschutzanträge im grossen Stil gutgeheissen wurden. Dem Verkäufer blieb in diesen Fällen meist nichts anderes übrig als auf Ware UND Geld zu verzichten oder auf dem Rechtsweg Ware oder Geld vom Käufer zurückzufordern. PayPal stiehlt sich in den meisten Fällen aus der Verantwortung und verweist auf die Nutzungsbedingungen. Immerhin: PayPal hat mittlerweile einen Verkäuferschutz eingerichtet, der in jenen Fällen helfen soll.

Zum anderen kommt es noch immer häufig vor, dass PayPal Konten mit viel Guthaben scheinbar grundlos einfriert, also sperrt, und den Zugriff auf die dort enthaltenen Vermögenswerte quasi (temporär) verunmöglicht. Darf PayPal das? Wie begründet PayPal dieses handeln und wie kann man sich dagegen wehren? Mit diesen Fragen soll sich der vorliegende Beitrag befassen.

Nutzungsbedingungen und Nutzungsrichtlinie von PayPal

Zentrale Quelle um das Vertragsverhältnis mit PayPal darzulegen sind die AGB, die PayPal als Nutzungsbedingungen betitelt (https://www.paypal.com/ch/webapps/mpp/ua/useragreement-full?locale.x=de_CH). Diese verweisen sogleich auf ein zusätzliches Dokument, welches als Nutzungsrichtlinie bezeichnet wird. Aus den Nutzungsbedingungen wird zunächst klar, dass du PayPal als PayPal-Nutzer einen Rechtsanspruch auf Sicherheit auf dein Geld gewährst, welches du in deinem PayPal-Konto aufbewahrst. PayPal räumt sich somit ein Pfandrecht für Forderungen in jenem Umfang ein, von dem sie selber behaupten, die du schuldig bist. Das Recht, dein Konto zu sperren, geht aus diesem eingeräumten Rechtsanspruch jedoch nicht hervor.

In der oben erwähnten Nutzungsrichtlinie wird jedoch noch ein Katalog an nicht erlaubten Handlungen aufgeführt, die Aufschluss darüber geben könnten, weshalb dein Konto hin und wieder gesperrt wird. Denn der dort aufgelistete Katalog ist sehr umfangreich:

Neben diesen verbotenen Aktivitäten gibt es noch einen mindestens genauso umfangreichen Katalog an Sachverhalten, die der Genehmigung durch PayPal bedürfen:

Abschnitt

Kategorie

Genehmigungspflichtige Artikel oder Dienstleistungen
(nicht abschließende Aufzählung)

1

Verkehr

Fluggesellschaften und Charterunternehmen/Jets/Lufttaxibetreiber im Linien- oder Bedarfsverkehr.

2

Gemeinnützige und nicht gewinnorientierte Organisationen

Sammeln von Spenden als gemeinnützige und nicht gewinnorientierte Organisation

3

Hochwertige Artikel

Händlertätigkeit mit Juwelen, Edelmetallen und Edelsteinen.

4

Zahlungsvermittler

Erbringung von Zahlungsdiensten, die unter die Definition eines Gelddienstleisters oder eines E-Geld-Instituts fallen würden. Zu diesen Dienstleistungen zählen auch der Verkauf von Wertkarten und treuhänderischen Dienstleistungen.

5

Investitionen

Kauf, Verkauf oder Vermittlung von Aktien, Anleihen, Wertpapieren, Optionen, Zahlen, Rohstoffen, Differenz-/Forexkontrakten, Investmentfonds oder einer Investitionsbeteiligung an einem Unternehmen oder Grundstück.

6

Glücksspiele, Gewinnspiele und Wettbewerbe

Aktivitäten, die Glücksspiel und/oder sonstige mit einem Startgeld und einem Preis verbundene Aktivitäten beinhalten, insbesondere Preise in Form von Grundstücken oder Immobilien, sowie Kasinospiele, Sportwetten, Pferde- oder Windhundrennen, Fantasy-Sport, Lotteriescheine und andere Unternehmungen, die Glücksspiel, Geschicklichkeitsspiele (unabhängig davon, ob diese unter die Legaldefinition für Glücksspiele fallen) und Gewinnspiele ermöglichen, sofern der Betreiber und die Kunden ausschließlich innerhalb des Gebietes einer Rechtsordnung ansässig sind, nach der solche Aktivitäten gesetzlich erlaubt sind.

7

Kryptowährung

Jede digitale Angabe von Werten, die digital gehandelt, übertragen oder als Zahlungsmittel verwendet werden kann, insbesondere Kryptowährungen, virtuelle In-game-Währungen oder nicht vertretbare Token.

8

Verschreibungspflichtige Artikel

Der Verkauf von verschreibungspflichtigen Produkten oder das Bereitstellen von

Rezepten

9

Telemedizinische Dienste

Erbringung von medizinischen Dienstleistungen und Konsultationen per Fernbehandlung.

10

Nicht jugendfreie Inhalte

Nicht jugendfreie Inhalte, die digital bereitgestellt werden, einschließlich Video-on-Demand (VOD) und Web-Cam-Aktivitäten. PayPal kann in bestimmten Ländern Beschränkungen bei der Abwicklung von Zahlungen für nicht jugendfreie DVDs, Zeitschriften und andere Produkte oder Dienstleistungen unterliegen.

11

Online-Kontaktbörsen

Alle Dating-Dienste, die es Einzelpersonen ermöglichen, andere kennenzulernen und sich ihnen mit dem Ziel vorzustellen, eine persönliche oder intime Beziehung aufzubauen.

12

Live-Streaming/Übertragungen

Alle Aktivitäten, bei denen Personen Video-, Sprach- oder Textinhalte in einer Live-Umgebung mit potentieller Benutzerinteraktion übertragen.

13

Filesharing

Das Anbieten von Filesharing-Diensten, einschließlich Cyberlockern und ähnlicher digitaler Remote-Filesharing-Dienste, bei denen hochgeladene Inhalte öffentlich zugänglich sind oder der Dienst die Uploader für die Inhalte bezahlt.

14

Alkohol

Verkauf alkoholischer Getränke.

15

Tabakwaren

Tabakprodukte, bei denen es sich nicht um Zigaretten handelt, E-Zigaretten, Zigarren

16

Medizinische Artikel oder Dienstleistungen

Alle Artikel, die als medizinische Geräte eingestuft sind, sowie alle Dienstleistungen oder Behandlungen, die von einer Person oder Organisation erbracht werden, die sich als Anbieter von Gesundheitsdienstleistungen ausgibt, insbesondere alle Gesundheitsdienstleistungen, für die nach der im Land des Anbieters oder dem Land der Erbringung geltenden Rechtsordnung eine staatliche Zulassung erforderlich ist.

Hierunter fällt auch der sog. “Medizintourismus”, bei dem medizinische Leistungen für einen Patienten außerhalb seines Heimatlandes erbracht werden.

17

Multi-Level-Marketing und Direktvertriebsorganisationen

Direktvertriebsorganisationen (Direct Sales Organizations – “DSO”) und Multi-Level-Marketing (“MLM”) sind Vertriebs- und Marketingmodelle, bei denen Produkte oder Dienstleistungen über ein Netzwerk unabhängiger Vertriebspartner oder Vertreter verkauft werden. DSO- und MLM-Modelle beruhen auf persönlichen Verkäufen und verlangen häufig von den unabhängigen Vertriebspartnern die Anwerbung neuer Vertriebspartner, um innerhalb der Organisation aufsteigen oder eine Anreizvergütung erhalten zu können.

18

Marktplätze

Ein Marktplatz ist eine E-Commerce-Lösung, auf der externe Anbieter ihre Produkte oder Dienstleistungen an Kunden verkaufen können.

Bei einem Verstoss gegen jene Bestimmungen räumt sich PayPal in seinen Nutzungsbedingungen in erster Linie das Recht ein, das Konto jederzeit und ohne Vorwarnung einzuschränken oder zu sperren. Dies betrifft auch das dort befindliche Guthaben und zwar so lange, wie PayPal ein Haftungsrisiko für sich vermutet. Je nach Sachverhalt resultieren hieraus verschieden lange Zeiträume, in der dein Geld von PayPal eingefroren werden könnte. Bei einer Verwicklung in die oben erwähnten „Verbotenen Aktivitäten“ spricht PayPal von einem Zeitraum von mehr als 180 Tagen. Wie lange das im Einzelfall dauert, kann also kein Nutzer im Vorfeld genau wissen.

Sperrung wegen Verdachts der Geldwäscherei

Unter dem Titel «Einbehaltungen» erklärt PayPal in seinen AGBs weiter, dass es aus verschiedenen Gründen Gelder auf Transaktionsebene und auf Kontoebene einbehalten kann. Das Geld steht dann weder dem Empfänger noch dem Sender zur Verfügung. Die meisten der dort aufgeführten Gründe hängen mit Regelungen zusammen, die auch normale Banken im Auge behalten müssen: die nationale und internationale Gesetzgebung zur Verhinderung und Bekämpfung von Geldwäscherei, in der Schweiz das Geldwäschereigesetz und all seine internationalen und nationalen Erlasse. So beschreibt PayPal, dass bei Transaktionen aus Hochrisikogebieten oder mit Gütern und Waren, die ein bedeutendes Risiko der Geldwäscherei mit sich bringen, das Konto eingefroren und die Vermögenswerte gesperrt werden können, bis PayPal die Herkunft oder die Rechtmässigkeit der Transaktion geprüft hat.

Sperrung aufgrund von «Reserven»

Dies ist aber noch nicht alles. PayPal räumt sich in seinen Nutzungsbedingungen das Recht ein, eine sog. Reserve zu bilden, wenn sie der Meinung sind, dass mit dir, deinem PayPal-Konto, deinem Geschäftsmodell oder deinen Transaktionen ein hohes Risiko verbunden ist. Eine Reserve bedeutet, dass ein Teil oder dein gesamtes Geld in deinem PayPal-Konto als nicht verfügbar erscheint und somit ebenfalls nicht damit bezahlt oder es abgebucht werden kann. PayPal begründet diese Reserve damit, dass verhindert werden soll, dass Transaktionen rückgängig (bspw. durch den Käuferschutz) oder für ungültig erklärt werden. Bei der Entscheidung ob eine Reserve gebildet wird, berücksichtigt PayPal nach eigener Aussage verschiedene Faktoren wie:

  • Dauer der Tätigkeit als Unternehmer,
  • Branche mit hoher Wahrscheinlichkeit für Rückbuchungen,
  • Transaktionsverlauf bei PayPal und anderen Anbietern,
  • deine persönliche Bonität oder die deines Unternehmens,
  • ob du eine überdurchschnittlich hohe Anzahl von Retouren, Rückbuchungen, Käuferschutzanträgen oder Konflikten hast.

Sperrungen also immer berechtigt?

Diese Frage ist so einfach nicht zu beantworten. In der Vergangenheit kam es immer wieder zu kritischen Äusserungen gegenüber PayPals Geschäftspraktiken. Auf den ersten Blick erscheinen viele Sperrungen grundlos, macht man sich jedoch mit den rigorosen und weitläufigen Tatbestandskatalog aus der Nutzerrichtlinie vertraut, scheinen die meisten Sperrungen doch eine Grundlage zu haben. Ob dies im Einzelfall wirklich so ist, muss individuell-konkret beurteilt werden.

Inzwischen sieht sich PayPal in den USA mit einer Sammelklage konfrontiert, da verschiedene Nutzer die scheinbar grundlose Sperrung ihrer PayPal-Konten und Vermögenswerte nicht mehr tolerieren möchten. Ein vergleichbares zivilrechtliches Instrument gibt es in der Schweiz hingegen nicht. Hierzulande muss jeder Anspruch individuell eingeklagt werden. Erschwerend kommt hinzu, dass PayPal das Recht von Singapur in seinen AGB für anwendbar erklärt. Schweizer Gerichte müssten dann wohl oder übel singapurisches Recht für die Vertragsauslegung und Beurteilung der Sachlage anwenden.

Fazit

PayPal vereinfacht für viele Menschen den Zahlungsverkehr und bietet gleichzeitig einen komfortablen Schutz vor Betrug und Missbrauch im elektronischen/online Geschäftsverkehr. Der Otto-Normal-Verbraucher wird sich kaum mit solchen Sperrungen befassen müssen. Planst du jedoch PayPal für dein Business einzusetzen und erwartest viele und hohe Zahlungsflüsse, wäre es besser, wenn du den hier bereits vielfach zitierten Tatbestandskatalog genau studierst und prüfst, ob deine Branche eventuell darunterfallen könnte, um dir Ärger zu ersparen.

Bei einer Sperrung solltest du versuchen die Angelegenheit mit PayPal zu klären. Auch hier fällt vor allem wieder ins Auge, wie wichtig eine gute und strukturierte Buchführung und Dokumentation ist. Zahlungsbelege, Lieferscheine und ähnliches werden PayPal helfen, die Sachlage schnell zu klären. Auch bei den oben genannten Sammelklagen sind einige Betroffene in für PayPal heiklen Geschäftsbereichen tätig und scheinen nicht in der Lage gewesen zu sein, gewisse Belege einzureichen. Liess dir deshalb nochmals unseren Artikel «Top Legal Fehler eines Start-Ups – Keine sauber dokumentierte und durchdachte Gründung» durch.

Hinweis: Dieser Artikel wurde am 24. Januar 2022 verfasst und befasst sich mit den in der Schweiz geltenden AGB (Stand 1. Dezember 2021).

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert