In unserem Blog-Beitrag mit dem Titel “„Mir geht’s ums Prinzip“ – finanzielle und psychologische Folgen eines Zivilprozesses” haben wir schon mal verschiedene Aspekte rund ums Prozessieren thematisiert. Dieser Beitrag soll sich vor allem mit der Parteientschädigung beschäftigen, also jenes Geld, das man für die eigenen Anwaltskosten vom Gericht zugesprochen bekommt und von der Gegenpartei erhält.
Wenn ich gewinne, bezahlt die Gegenseite meinen Anwalt
Grundsätzlich ist diese Aussage korrekt. Jedoch, wie auch bei den Gerichtskosten, orientieren sich die Anwaltskosten am Streitwert, der dem Zivilprozess zugrunde liegt (auf die strafrechtliche Verteidigung wird hier nicht eingegangen). Was es pro Streitwert gibt, ist kantonal geregelt. Dieser Ansatz widerspiegelt aber nicht den tatsächlichen Aufwand, den ein Anwalt mit deinem Fall hatte. Denn es kann durchaus vorkommen, dass bei einem Streitwert von CHF 100.– deutlich mehr Aufwand für den Anwalt entsteht, als bei einem eindeutigen und glasklaren Millionen-Fall (wenn auch eher unwahrscheinlich).
Beispiel
Nehmen wir an, im Fall A) beträgt der Streitwert CHF 100.– und dein Anwalt wendet für die Klageschrift 8h auf. Hinzu kommen ein zweiter Schriftenwechsel und die Teilnahme an einer Hauptverhandlung. Denn der Fall kann ja trotz des geringen Streitwerts ziemlich kompliziert sein und umfangreiche rechtliche Abklärungen erfordern. Die Verordnung über die Anwaltsgebühren (in diesem Fall des Kantons Zürich) sieht für das ordentliche Verfahren jedoch folgende Entschädigungen vor:
In unserem Fall A) würde das bedeuten, dass man nur CHF 100.– als Parteientschädigung erhält. Hier und da kann es noch ein paar Zuschläge für besonders aufwändige und komplexe Fälle geben, es versteht sich jedoch von selbst, dass dies die eigenen Anwaltskosten überhaupt nicht decken wird. Nun gehen wir in einem Fall B) davon aus, dass der Streitwert bei einer Million Franken liegt. Die Anwaltsschrift ist weniger kompliziert, weil der Fall klar ist, der Anwalt hat also einen zeitlich geringeren Aufwand. Dennoch beträgt die Parteientschädigung ein Vielfaches mehr als in unserem Fall A). Du zahlst also im Fall A aus deiner eigenen Tasche drauf, in Fall B gibt’s hingegen evtl. sogar noch etwas vom Kostenvorschuss zurück.
Was tun? Prozessieren oder nicht?
So kommt es also oft vor, dass man trotz gewonnenem Fall einen Teil seiner Anwaltskosten selber stemmen muss.
Ein Dozent aus einer Vorlesung zum Zivilprozessrecht meinte mal, “Prozessieren lohnt sich erst ab einem Streitwert von CHF 100’000.–”. Wir, als damalige Studenten, staunten bei dieser Aussage. Die Erfahrung aus der Praxis zeigt jedoch, dass dies, nur bezogen auf die Parteienschädigung, in einigen Fällen der Wahrheit entspricht. Die eigenen Anwaltskosten sollten also immer im Blick gehalten werden. Ein guter Anwalt oder Anwältin berät einen über die eigenen Anwaltskosten und gibt eine Einschätzung ab, ob sich ein solcher Fall finanziell überhaupt lohnt. Als Mandant solltest du aber auch immer wieder nach dem aktuellen Kostenstand fragen.
Das bedeutet nicht, dass es sich effektiv erst lohnt, vor Gericht zu gehen, wenn es um einen Betrag über CHF 100’000.– geht. Man sollte einfach berücksichtigen, dass am Ende etwas weniger auf dem Konto liegt, als wenn die Gegenpartei die Rechnung einfach direkt und ohne Prozess bezahlt hätte. Umso wichtiger ist es in solchen Fällen, die Arbeiten des eigenen Anwalts mit sauberen Dokumenten und eigener Vor- und Zuarbeit zu unterstützen. So spart man sich selber unnötige Stunden für den Anwalt, da dieser die Dokumente ebenfalls erst sichten und ordnen muss.