Unter Anwälten ist der Spruch “Dein Klient ist der grösste Feind” Alltagsjargon und leider auch oft Realität. Dabei ist bei dem Wort “Feind” nicht die feindliche Gesinnung eines Klienten gegenüber seinem Anwalt zu verstehen. Der folgende Blog-Beitrag soll erläutern, was hinter diesem Spruch steckt, warum er bedeutet, dass man auch sein eigener Feind sein kann und wie man genau das verhindern kann.
Der Dolchstoss im Prozess
Es gehört zum Alltag eines prozessierenden Rechtsanwalts, dass man sich perfekt vorbereitet in die Verhandlung begibt, leidenschaftlich und konzentriert sein Plädoyer hält, um die Ansprüche des Klienten durchzuboxen und plötzlich zieht der Gegenanwalt in seiner Replik/Duplik oder Klageantwort ein Beweisstück, welches der gesamten eigenen Argumentationsgrundlage buchstäblich den Boden unter den Füssen wegzieht. Oft folgt ein verunsicherter Blick zum Klienten, der dann entweder selber überrascht ist oder beschämt nach Worten ringt. Es kommt zum Verhandlungsunterbruch, man berät sich mit seinem Klienten und stellt zuallererst die Frage “Kennst du dieses Dokument? Wieso hast du mir nichts davon gesagt?”. Nicht selten ist ein Bestreiten der Echtheit oder das Konstruieren von Märchengeschichten erfolglos, während man gleichzeitig vor dem Gericht seine Glaubwürdigkeit und Reputation schädigt. Häufig bleibt nur noch der Klagerückzug bzw. die Anerkennung der gegenseitigen Ansprüche, sei es wegen der Beweisqualität des Beweisstückes oder der fehlenden Vorbereitungszeit, um eine passende Antwort oder einen Gegenbeweis während der laufenden Verhandlung zur Verfügung zu stellen. Damit habe ich als Klient nicht nur meinen eigenen Anwalt in Bedrängnis und in eine unangenehme Situation, sondern vor allen Dingen mich selbst um meinen Anspruch gebracht.